Eine launige Führung durch La Palmas flüssige Schätze
Wenn sich Wolken wie zarte Vorhänge den Krater hinaufschieben und in der Luft schon der salzige Geschmack von Atlantik und Abenteuer liegt, dann ist man ziemlich sicher im Südwesten von La Palma gelandet.

Wenn sich Wolken wie zarte Vorhänge den Krater hinaufschieben und in der Luft schon der salzige Geschmack von Atlantik und Abenteuer liegt, dann ist man ziemlich sicher im Südwesten von La Palma gelandet. Genauer gesagt: beim Weingut Bodegas Teneguía, benannt nach dem gleichnamigen Vulkan, der 1971 zuletzt Lava spuckte – und offenbar auch ein bisschen Weininspiration.
Denn was uns heute erwartet, ist keine trockene Kellerführung mit staubigen Fakten, sondern: Diego.
Weinführer, Stimmungskanone, wandelndes Weinlexikon und vermutlich heimlicher Stand-up-Comedian der Insel.
¡Hola y bienvenidos! – der Beginn einer heiteren Weinkarriere
Diego begrüßt uns mit einem schelmischen Lächeln und der ersten Regel des kanarischen Weinbaus:
„Wer hier nicht schwitzt, der trinkt zu wenig!“
Und damit beginnt unsere Reise durch Rebzeilen, Kraterkanten und die überraschende Welt des Malvasía-Weißweins. Wir – das sind ein Paar aus Holland, eines aus Italien, eine kleine deutsche Wandertruppe, eine Frau aus Madrid und vermutlich die internationale Weinverkostungs-Version der UN-Vollversammlung.
Malvasía – wie Lava, nur in lecker
Im Herzen des Weinguts Teneguía dürfen wir gleich zu Beginn einen weißen Malvasía probieren, der nicht nur nach Sonne und Seeluft schmeckt, sondern auch eine Extraportion Geduld in sich trägt: Dieser Wein hat besonders lange im Stahltank gegoren, was ihm eine aromatische Tiefe verleiht, die man sonst eher bei Philosophie-Studenten vermutet.
„Der schmeckt wie ein Spaziergang am Meer, wenn man barfuß ist und nichts bereut“, flüstert die Italienerin – wir nicken alle ehrfürchtig. Nur Diego sagt trocken:
„Und dabei war das der einfache Weißwein. Für 7 Euro. Wenn ihr gleich den Süßen probiert, wird euch die Sonne von überall her scheinen.“
Negramoll – der charmante Rote mit dem großen Durst
Als nächstes schenkt Diego uns einen Negramoll ein – eine kanarische Rarität. Leicht, rubinrot, süffig. Der perfekte Wein, um damit nachmittags einfach mal aus Versehen in den Sonnenuntergang zu stolpern. Er sei, so Diego, „der Wein für Leute, die keine Rotweintrinker sind, aber trotzdem gerne mitreden wollen“.
Spätestens hier fängt die deutsche Wandertruppe an, kleine Gläser mit großem Ernst zu analysieren – während das holländische Paar schon leicht verliebt in die Etiketten starrt. Und dann kommt er: der Süßwein.
Malvasía dulce – flüssiges Gold aus Vulkanhand
Dieser Malvasía ist nicht nur süß, sondern fast überirdisch. In Halbliterflaschen abgefüllt, kostet er bis zu 57 Euro – und ehrlich gesagt: Jeder Tropfen ist es wert. Schon beim ersten Schluck ist klar: Das ist kein Nachtischwein, das ist ein Gedicht, das durch die Adern rinnt.
„Da musst du nix mehr essen“, murmelt jemand aus der Gruppe – vermutlich war es die Frau aus Madrid – „nur trinken, reden und verliebt sein.“
Gobelet-Erziehung und der Stolz auf alte Wurzeln
Draußen führt uns Diego zu den Reben. Hier wird Gobelet-Erziehung praktiziert – eine klassische Buschform, bei der die Rebstöcke niedrig über dem Boden wachsen. Ideal für die windige, trockene Region.
„Das ist wie Yoga für Reben“, sagt Diego, „Viel Sonne, wenig Verdunstung – aber nix für Maschinen. Nur für Menschen mit Rückenschmerzen.“ und grinst.
Die 200 Winzerfamilien auf La Palma leisten echte Handarbeit. Sie bringen ihre Trauben – teils von uralten, wurzelechten Rebstöcken – zur Kooperative, wo sie zu Wein verarbeitet werden. Ein Kilo Spätlese kann hier bis zu 7 Euro bringen – das ist mehr als manche Supermarktflasche am Ende kostet.
Und genau hier liegt die Besonderheit: Die Reblaus hat La Palma nie erreicht.
Während der Rest Europas im 19. Jahrhundert hektisch auf amerikanische Unterlagen aufpfropfte, blieben die kanarischen Reben einfach… sie selbst. Wurzelecht. Stark. Stolz. Frei.
Das Weingut Teneguía – Wein mit Lava-DNA
Bodegas Teneguía, am Fuß des Vulkans gelegen, ist die größte Winzerkooperative der Insel und verarbeitet jedes Jahr rund 300.000 Kilo Trauben. Der Keller vereint Betonbehälter, Stahltanks und Eichenfässer, moderne Technik und traditionelles Wissen.
Gegründet wurde das Weingut 1950 – ein Jahr, bevor überhaupt eine Straße dorthin führte. Heute sind es über 200 Familien, die die Kooperative am Leben erhalten. Ihre Reben wachsen auf Terrassen, in Kratermulden, an Lavahängen – überall dort, wo Mensch und Natur sich auf ein Glas einigen konnten.
Und zum Schluss: Wolken, die nach Salz schmecken
Während wir den letzten Schluck Malvasía genießen, ziehen Nebelschwaden wie schwerelose Tücher den Hang hinauf. Diego deutet in die Wolken:
„Da kommt sie, die salzige Note. Heute ist sie pünktlich.“
Wir lachen – aber irgendwie schmeckt der Wein in diesem Moment tatsächlich nach Meer. Oder nach Magie. Oder nach Diego.
Wenn du einmal in deinem Leben einen Wein trinken willst, der auf einem Vulkan gewachsen ist, von Menschen mit Liebe geerntet wurde und dessen Wurzeln noch nie einen amerikanischen Akzent gehört haben – dann fahr nach La Palma. Lass dich von Diego durch Gobelet-Reben führen, trinke süßen Malvasía und warte, bis die Wolken dir erzählen, wie salzig das Leben schmecken kann.
